Durch die Ostsee über St. Petersburg und Tallin zum Hansetag nach Tartu in Estland 2005
Die helle Abendsonne verwandelt das Palastufer der Newa vor der Eremitage in eine gut in Szene gesetzte Flaniermeile, und die jungen Mädchen schreiten in ihren Abendroben vor dieser bezaubernden Kulisse entlang. Eine Stunde noch bis Mitternacht. Doch in den Weißen Nächten von St. Petersburg nimmt jetzt erst alles seinen Anfang.
So erlebten es einige Teilnehmer der 33-köpfigen Reisegruppe der Hanseatischen Gesellschaft, die, unter der Leitung vo Petra Menke-Koerner, über die Ostsee und den finnischen Meerbusen gefahren war, um auf dem Weg zum Hansetag die Höhepunkte der russischen Zarenzeit zu erleben. In den kurzcn Juninächten zeigt sich die jüngste Metropole Europas von ihrer romantischen Seite und vergessen sind die langen, feuchten und kalten Tage und das monotone Grau des Winters. Und spätestens dann wird die Fünf-Millionen-Stadt, die mehr als 400 Brücken aus Stein, Stahl oder Holz hat nd die 40 Inseln auf denen die Stadt steht miteinander verbinden, ihrem Ruf als „Venedig des Nordens“ gerecht.
Mit ihrer russischen Reiseleiterin Ljuba erfuhren die Hanseaten alles über die umfangreiche Geschichte der Zarenfamilie, die diese Metropole zum Blühen gebracht hatte. Geschichtsträchtige Plätze und Bauten wie die St. Isaak-Kathedrale, eine der größten Kuppelkirchen der Welt, die auf 24.000 Pfählen steht, um im sumpfigen Boden der Newa stehen zu können, waren nur einige Ziele. Ein Höhepunkt war sicherlich die weltbekannte Eremitage mit ihren berühmten Kunstwerken. „Wenn man nur 2 Minuten vor jedem Kunstwerk verbringt, benötigt man 8 Jahre Zeit, um die Eremitage ganz zu besichtigen.“ berichtete die Reiseleiterin stolz der sichtlich beeindruckten Gruppe.
Aber nicht nur das Zentrum der Stadt bot Sehenswertes. So fuhr die Gruppe in das benachbarte Puschkin mit dem Katharinenpalast, in dem das seit 2003 wieder hergestellte Bernsteinzimmer bestaunt werden konnte. Das Bernsteinzimmer war ein Geschenk Friedrich Wilhelm I. an Zar Peter den I. Das Kunstwerk schmückte den Katharinenpalast bis zum Herbst 1941, als die deutsche Wehrmacht das Schloss zerstörte und das Kabinett nach Königsberg verschleppte. Hier verlor sich 1945 seine Spur, und das Zimmer wurde zum Mythos. Noch zur Sowjetzeit beschloss man die Rekonstruktion, die aber erst durch die Essener Ruhrgas AG ab Sommer 1999 mit 3,5 Mio. Dollar realisiert werden konnte.
Ein Hochgenuss landschaftsgärtnerisches Können ist der Peterhof. Vor den Toren von St. Petersburg und malerisch schön an der Ostsee gelegen, erlebt man dieses festlich von Fontainen durchsilberte parkgrün und gewinnt den Eindruck, dass es ein Park mit Palast zu sein scheint und nicht der Palast Monplaisir mit Park.
Vor den Toren von St. Petersburg liegt einer der Zarenpaläste, der Peterhof. Bei hochsommerlichen Temperaturen genoss die Reisegruppe diesen malerischen Ort direkt an der Ostsee gelegen. Nach dem Rummel der Großstadt war diese Parkanlage mit über 100 Wasserfontainen und Kaskaden ein Hochgenuss.
Die Weiterfahrt nach Estland erlebte die Gruppe ohne Probleme in der Grenzstadt Narva, obwohl die Einreise fast 2 Stunden dauerte. Aber hier endet oder beginnt die EU-Außengrenze und die Kontrollen werden auf beiden Seiten sehr gründlich durchgeführt.
Estland hat ca. 1,5 Millionen Einwohner von denen knapp 30 % Russen sind. Mehr als ein Drittel des Landes bedeckt Wald, und abseits der sandigen Küsten findet man Mischwald vor, durch die sogar noch Bären und Wölfe streifen.
Nach gut 3 Stunden Fahrt am finnischen Meerbusen entlang, erreichte die Gruppe Tallinn. Die estnische Hauptstadt verfügt wohl über das größte mitelalterliche Bauensemble Nordeuropas: Enge verwinkelte Gassen in der bürgerlichen Unterstadt, die sofort an das heimische Soest mit dem wohlvertrauten Kopfsteinpflaster erinnerten, und die Bauten des Adels und der Geistlichkeit in der Oberstadt Tallinn, 1219 gegründet, war Siedlungsplatz für viele deutsche Kaufleute, die die Stadt in Reval umbenannten. Zeitzeugen deutscher Geschichte gibt es jetzt noch in Hülle und Fülle. An vielen Gebäuden oder in den Kirchen sind Hinweistafeln oder Wappenschilde in deutscher Sprache angebracht. Tallinn verfügt bis heute noch über eine gut erhaltene Stadtmauer und sehenswerte mittelalterliche Gebäude.
Tartu war die letzte Station der Reise. Die Stadt, deren erst Erwähnung im Jahre 1030 war, liegt am Fluss Emajögi und dieser verbindet die beiden größten Seen Estlands. Für die mittelalterliche Hanse war dieses ein wichtiger Verkehrsweg. Hier trafen sich Kaufleute aus Deutschland, Schweden und Russland, um ihren Handel zu treiben. Heute ist Tartu eine moderne Stadt und unter den 115.000 Einwohnern leben und studieren hier 25.000 junge Menschen, da Tartu die größte Universität des Landes hat.
In der zweitgrößten und ältesten Stadt Estlands fand in diesem Jahr der 25. Internationale Hansetag der Neuzeit statt. Bei der Eröffnung durch den estnischen Staatspräsidenten Arnold Rüüfel, an dem auch die Soester Reisegruppe teilnahm, unterstrich er die Wichtigkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen gerade in Osteuropa.
In diesem Jahr feierte die Stadt auch ihren 975. Jahrestag der Stadtgründung sowie die Wiedereröffnung der jahrelang restaurierten Johanniskirche, an dessen Ereignis auch unser Staatsoberhaupt Bundespräsident Horst Köhler teilnahm. Für die Hansetage hatte sich die Stadt wieder ins Mittelalter verwandelt und Gaukler, Händler, Handwerker, Spielleute, Mönche und andere Gesellen bestimmten das mittelalterliche Treiben. Mittelalterliches Alltagsleben wurde dargestellt. Auch die rauhen Sitten: So wurde in einer Szene gezeigt wie der Rat der Stadt Tartu seine Macht demonstrierte – mit Hilfe der Folterkammer wurden die Bürger unter Druck gesetzt und die Beschlüsse des Rates umgesetzt.
Die annähernd 80 teilnehmenden Hansestädte aus Polen, Frankreich, Deutschland, Russland, Lettland, Finnland, Schweden, Norwegen, Belgien, Litauen un den Niederlanden, die keine Kosten und Mühen gescheut hatten, um auf dem Hansemarkt vertreten zu sein, ergänzten zum Teil mit ihren Akteuren das bunte Leben in der alten Stadt.
Zum Programm der HGS gehörte natürlich auch eine Tagesexkursion nach Südestland, um das Leben auf dem Lande kennen zu lernen. Neben einem Museumsbauernhof wurden auch die Piusa Sandsteinhöhlen besucht, in dem früher Sandstein abgebaut wurde. Nach 12 ereignisreichen Tagen begab sich die Gruppe der Hanseatischen Gesellschaft Soest wieder auf die Silja Line, einem Schiff, welches 2.500 Passagiere über die Ostsee „schippern“ kann und gelangte wohlbehalten über Rostock in Soest wieder an. Alle Teilnehmer waren sich einig und dass lag natürlich auch mit am guten Wetter: „Es war eine tolle und interessante Reise.“
Familienzusammenführung in Russland: Die Reiseteilnehmer Lilo Triphaus traf ihren Neffen Lutz Gritzka in St. Petersburg. Beide stammen aus Vechta und hatten sich seit Jahren nicht mehr gesehen. Lutz Gritzka hatte beruflich in St. Petersburg zu tun. Dank der modernen Handytechnik wurde das Treffen in einem russischen „Biergarten“ arrangiert.